Das Projekt „Moore, Wiesen, Sumpfschildkröten“

„Moore, Wiesen, Sumpfschildkröten – Bewahrung der letzten Arealvorposten der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) in Deutschland“

Partner
Der Verein Agena e.V. ist seit vielen Jahren in der Uckermark aktiv und arbeitet in der Region und im Rahmen des vorliegenden Projektes mit folgenden Partnern zusammen:

Verwaltungen:

Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, Naturpark Uckermärkische Seen, UNB Landkreis UM, Regionalstützpunkte der Naturwacht Brandenburg, Landesforstbetrieb Brandenburg

Private Unternehmen:
Wildsamen-Insel Temmen/Uta Kietsch, Gut Temmen/Rolf Henke/Hans-Martin Meyerhoff, Ökobetrieb Gut Hessenhagen/Carsten Meyerhoff, Sand + Kies Union GmbH/Berlin-Brandenburg, Kieswerk Buchholz/Jürgen Kwade,

NGOs:
NABU-Regionalverbände Prenzlau und Templin, Förderverein Feldberg - Uckermärkische Seenlandschaft, Kulturlandschaft Uckermark e.V.

Überregionale Partner und zugleich Förderer des Projektes sind:


Naturschutzfonds Brandenburg

Klara Samariter-Stiftung

Heinz Sielmann Stiftung


Wissenschaftliche/fachliche Partner sind u. a.:

Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, Museum für Naturkunde Berlin; Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden, Fachgebiet Populationsgenetik; NABU Landesfachausschuss und Bundesfachausschuss Feldherpetologie

1. Sicherung, Revitalisierung und Vernetzung vorhandener Lebensräume

Sowohl die drei besiedelten Lebensräume als auch der neu geschaffene Lebensraumkomplex in der Kiesgrube sind eingebettet in eine Kulturlandschaft, deren Lebensräume z. T. durch menschliche Engriffe gezeichnet sind. Aquatische Lebensräume sind vor allem durch Entwässerung und Nährstoffeinträge geprägt. Terrestrische Lebensräume sind vielerorts belastet durch intensive Bearbeitung, Überweidung und die Anwendung von Agrochemikalien und Düngemitteln.
Wesentliche Inhalte des Teilprojektes sind:

  • Erfassung von Entwässerungsanlagen, Absprachen mit Eigentümern, Bewirtschaftern und zuständigen Behörden bzgl. möglichem Rückbau
  • Rückbau von Entwässerungsanlagen sofern möglich, Zusammenarbeit mit weiteren Projekten/Partnern vor Ort (z. B. BR Schorfheide/Chorin), WBV, sofern erforderlich Akquise weiterer Maßnahme-bezogener Fördermittel
  • Erfassung, Sicherung und Aushagerung thermisch exponierter Flächen im Grünland (ggf. Umwandlung von Acker in Grünland) in Abstimmung mit Eigentümern, Nutzern und Naturschutzbehörden (UNB, BR SC)
  • Gründung und Entwicklung artenreicher und standorttypischer Trockenrasen (Transfer und Ausbringung von Mahdgut und Heudrusch von geeigneten Trockenrasen der Region)

2. Ankauf von Flächen und Revitalisierung verschiedener Kernhabitate in einem neu entdeckten Vorkommen

Hintergrund

Im Frühjahr 2013 entdeckten Biologen auf einer Exkursion im Projektgebiet ein bisher unbekanntes Sumpfschildkrötenvorkommen. Sie beobachteten 7 Sumpfschildkröten auf ihren Sonnplätzen. Bei dem Lebensraum handelt es sich um ein von ausgedehnten Mischwäldern, Mooren und blütenreichen Wiesen umgebenes Erlenbruch. Ein kleiner Restbestand der äußerst seltenen und akut vom Aussterben bedrohten Europäischen Sumpfschildkröte konnte an diesem abgeschiedenen Ort bis heute überleben.
Dank der schweren Zugänglichkeit und darüber hinaus der engen Verflechtung der Gewässer mit angrenzenden Wiesen bot das Gebiet den Schildkröten offenbar über viele Jahrhunderte nahezu ideale Lebensbedingungen.
Erst als die industrielle Land- und Forstwirtschaft die Moore als Ressource entdeckten, begannen Meliorationsingenieure damit, tiefe Entwässerungsgräben durch den Lebensraum der Sumpfschildkröten zu treiben. Der Fortbestand des Refugiums samt seiner Bewohner war lediglich einem Zufall zu verdanken. Ein im Zuge der Melioration angelegtes Entwässerungsbauwerk geriet nach dem Zusammenbruch der DDR in Vergessenheit. Das monströse Bauwerk aus Stahl und Holzbohlen verrottete nach und nach. Seine Überreste stauten den Wasserkörper im Bruchwald auf und verhinderten auf diese Weise über viele Jahre das weitere und endgültige Trockenfallen der Schildkrötengewässer.
Aktuell jedoch droht dem Lebensraum eine unmittelbare Gefahr, denn das zerfallene und über Jahre den Wasserabfluss behindernde Bauwerk ist inzwischen soweit verrottet und unterspült, dass spätestens nach dem nächsten Hochwasser (wahrscheinlich zum kommenden Winterende) ein vollständiges Ausspülen des Bauwerkes und damit der ungehinderte Wasserabfluss aus dem Schildkrötenlebensraum droht.

Geplante Maßnahmen

Aktuelle Gespräche mit Landeigentümern, Förstern und Naturschutzbehörden vor Ort zeigen einen klaren Weg zur Erhaltung bzw. Revitalisierung der Lebensräume auf.
Zunächst gilt es, das Trockenfallen der Gewässer- und Moorlebensräume zu verhindern. Dieses Vorhaben und die nachhaltige Sicherung der Lebensräume setzt den Ankauf der wichtigsten Flächen im Kerngebiet (ca. 12 ha überwiegend aquatische Lebensräume) voraus. Danach soll das marode Entwässerungsbauwerk entfernt und durch einen permanenten und massiven Staudamm ersetzt werden. Die Stauhöhe wird mit Eigentümern und Nutzern der benachbarten Flächen sowie den zuständigen Behörden abgestimmt.
Des weiteren soll eine seit einigen Jahren unmittelbar an das Gewässer angrenzende brachliegende Wiese mit wertvollen Trockenrasenbestandteilen in Abstimmung mit der Verwaltung des BR SC wieder genutzt und somit als Gelegeplatz der Sumpfschildkrötenpopulation revitalisiert werden. Eine weitere nördlich an das Gewässer angrenzende südexponierte Offenfläche wird derzeit als Grünland genutzt und relativ stark beweidet. In Abstimmung mit dem Eigentümer und der Verwaltung des BR SC (Vorgespräche sind bereits erfolgt) soll der Nutzungsdruck auf geeigneten, nährstoffarmen Hügelkuppen bzw. Hangbereichen reduziert und die Entwicklung von Trockenrasen initiiert werden.


3. Untersuchungen zur Erfassung des neu entdeckten Reliktvorkommens und hinsichtlich der Existenz möglicher weiterer, bisher unbekannter Reliktpopulationen bzw. potenzieller Lebensräume im Verbund mit besiedelten Lebensräumen

Die 2013 entdeckte Sumpfschildkrötenpopulation soll erfasst (Populationsstruktur) und hinsichtlich ihres Erhaltungszustands bewertet werden. Darüber hinaus sollen Lagen und Eigenschaften der Teillebensräume (Gelegeplätze, Sommerhabitate, Winterquartiere) untersucht und kartografisch dargestellt werden. Hierfür ist der Einsatz von Telemetrietechnik geplant. Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse wird kurzfristig ein Maßnahmekatalog zur Sicherung des Vorkommens erarbeitet und umgesetzt.
Darüber hinaus ist vorgesehen, innerhalb des Projektgebietes nach weiteren aktuellen Sumpfschildkrötenbeobachtungen zu recherchieren (gezielte Umfragen), den Hinweisen nachzugehen und bedarfsweise weitere Freilanduntersuchungen zur Erfassung von Sumpfschildkröten-Reliktpopulationen durchzuführen.
Ein wichtiges Vorhaben des vorliegenden Teilprojektes ist die Erkundung und Ausweisung potenziell geeigneter Sumpfschildkrötenlebensräume am Nordrand der Schorfheide (s. 5.).

4. Bestandsstützung – Wiederansiedlung

Untersuchungen der letzten Jahre haben einen kritischen Erhaltungszustand der letzten Sumpfschildkrötenpopulationen in Deutschland aufgezeigt (EU-Monitoringberichte). Neben Verlusten z. B. durch den Straßenverkehr oder durch den Einsatz von Schwermaschinen in der Forst- und Landwirtschaft zählen neuerdings auch erhöhte Verlustraten bedingt durch expandierende Bestände von Waschbär und Marderhund zu den wichtigsten Gefährdungsursachen (Schneeweiß & Wolf 2009).
Auf der Basis von Populationsgefährdungsanalysen (Paul 2001) ist klar, dass die hochgradig gefährdeten Sumpfschildkröten-Reliktvorkommen nur mit Hilfe von Bestandsstützungen und Wiederansiedlungen eine Zukunft haben. Mit dem vorliegenden Projekt sollen in einem historisch von Sumpfschildkröten dicht besiedelten Gebiet am Nordrand der Schorfheide (Abb. 1) bestehende autochthone Populationen gestärkt und in geeigneten Lebensräumen neue Populationen gegründet werden. Ein zentraler Bestandteil hierbei wird der neu angelegte und vor terrestrischen Prädatoren weitestgehend gesicherte Lebensraumkomplex innerhalb einer ehemaligen Kiesgrube sein. Bei der Ausweisung und Revitalisierung von Lebensräumen sowie möglichen Wiederansiedlungsmaßnahmen wird besonderer Wert auf die Vernetzung der aquatischen und terrestrischen Habitate gelegt. Zentraler Bezugspunkt jeweils sind die noch existierenden Reliktvorkommen, die auf diese Weise demografisch stabilisiert werden.

5. Monitoring

Die Entwicklung der Lebensräume, Artengemeinschaften und insbesondere der Sumpfschildkrötenpopulationen wird in einem projektbegleitenden Monitoring verfolgt.
Das Monitoring schließt ein:

  • Dokumentation der Maßnahmen
  • Wasserführung (Pegelstände) aquatischer Habitate
  • Entwicklung der aquatischen Habitate
  • Entwicklung der Trockenrasen auf Sumpfschildkröten-Gelegeplätzen
  • Erfassung der Bodentemperaturen und Berechnung jährlicher Temperatursummen für die Gelegeplätze
  • Bestandsentwicklung der Sumpfschildkrötenpopulationen

6. Erstellung eines Managementplanes

Auf Grundlage der Ergebnisse des vorliegenden Projektes soll ein Managementplan für die Erhaltung und demografische Stabilisierung der Sumpfschildkrötenpopulationen am Nordrand der Schorfheide erarbeitet werden.
Wesentlicher Inhalt dieses Planes wird die kartografische Darstellung der Reliktvorkommen, der zur Wiederbesiedlung geeigneten Lebensräume sowie der vorhanden bzw. wiederherzustellenden Korridore (Vernetzungen) im Projektgebiet sein.
Darüber hinaus werden im Managementplan die zum Erhalt vorhandener bzw. zur Revitalisierung weiterer Lebensräume erforderlichen Maßnahmen der Landschaftspflege und einer diesem Vorhaben angemessenen Forst- und Landwirtschaft dargestellt.

Synergieeffekte

Das Projektgebiet bietet dank seiner relativen Abgeschiedenheit, Naturnähe und Vielfalt an Lebensräumen außergewöhnlich vielen bedrohten Tierarten Lebensräume. So brüten hier Schwarzstorch, Schrei-, See- und Fischadler. Der Schreiadler ist bei seiner Nahrungssuche regelmäßig auf den blütenreichen Wiesen der Sumpfschildkrötengebiete zu beobachten. Kraniche, Schellenten, Waldwasserläufer sind im Projektgebiet weit verbreitet. Insbesondere die von den Schildkröten besiedelten Gewässer und Erlenbrüche werden von ihnen als Brut- und Nahrungshabitat genutzt. Der Fischotter zieht in den unzugänglichen Gewässern der Moore und Bruchwälder seine Jungen auf. Große Populationen an Laubfröschen, Rotbauchunken und Kammmolchen bevölkern die Gewässer. All diese und viele weitere Arten insbesondere auch seltene Pflanzenarten der Trockenrasen werden mit dem vorliegenden Projekt gefördert.
Das vorliegende Projekt fügt sich harmonisch ein in die verschiedenen Vorhaben und Maßnahmen, die auf die Revitalisierung sensibler Lebensräume und Artengemeinschaften orientieren (z. B. EU-Life-Projekt für den Schreiadler und Kalkmoorprojekt, regionale Projekt zur Renaturierung von Kleingewässern, Mooren und Trockenrasen).