Rhin-Havelluch

Unmittelbar vor den Toren Berlins entwickelte sich im Oberen Rhinluch innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte der wahrscheinlich größte Rastplatz des Kranichs auf seiner westlichen Zugroute. Allein in Nachbarschaft des Storchendorfes Linum halten sich im Herbst derzeit bis zu 70.000 Kraniche auf. Darüber hinaus rasten hier mehrere 10.000 Gänse, tausende Enten, Schwäne und Limikolen. Dieses attraktive Naturschauspiel zieht zunehmend Besucher in das Gebiet.
Die vor Ort agierenden Naturschützer organisieren im Rahmen eines Arbeitskreises verschiedene Maßnahmen eines komplexen Rastplatzmanagements. Hierzu zählen neben Wegesperrungen, Ablenkfütterungen, Besucherinformationen auch eine Landschaftswacht und der Ausbau einer Infrastruktur für Naturbeobachter...

Kranichzählungen 2017

Datum
Rhinluch
Havelluch
Gesamtzahl
26.09.2017
Min. 20.000
keine Zählung
Min. 20.000
03.10.2017
48.980
8.190
57.170
10.10.2017
37.510
Min. 3.471
Min. 40.980
17.10.2017
29.850
Min. 7.600
Min. 37.450
24.10.2017
Min. 60.020
Min. 12.910
Min. 72.930
31.10.2017
16.940
Min. 16.270
Min. 33.210
07.11.2017
Nebel Min. 780
Min. 6150
Min. 6.930

Entwicklung der Herbst-Rastbestände des Kranichs im Oberen Rhinluch und östlichen Havelländischen Luch

Nur 60 km nordwestlich des Berliner Stadtzentrums erstreckt sich auf einer Fläche von ca. 15.000 ha das Obere Rhinluch. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeichnete sich dieses Niedermoor durch seinen, in weiten Teilen naturnahen Charakter aus. Birkhuhn, Seggenrohrsänger, Großtrappe, Große Rohrdommel und verschiedene Limikolenarten prägten zu jener Zeit die Vogelfauna der Luchlandschaft (HESSE 1910, 1914). Nur weniger als 5 % Flächenanteil - z. B. Naturschutzgebiet "Kremmener Luch" - erinnern gegenwärtig an den ursprünglichen Zustand des Gebietes. Monotones Grünland, eintönige Pappelreihen, nahezu ganzjährig niedrige Grundwasserstände (nicht selten 80-120 cm unter Flur) und degradierte Böden bestimmen heute den Charakter dieser Landschaft.
Das Obere Rhinluch zählt zu den am besten erforschten Niedermooren Europas. So liegen mehrere hydrologische Studien und komplexe Langzeituntersuchungen vor (KRETSCHMER 2000). Ein darauf basierender Agrarstruktureller Entwicklungsplan (HASCH et al. 2005) beinhaltet mittelfristig die nachhaltige Vernässung von 14 bis 19 % der als Grünland genutzten Fläche. Derzeit jedoch bestimmt das extensiv genutzte, tiefgreifend entwässerte Grünland den Gebietscharakter. Nur wenige, ubiquitäre Vogelarten finden hier geeignete Brutplätze. Jedoch nimmt die Zahl der im Rhin- und Havelländischen Luch rastenden Zugvögel in den letzten 2 Jahrzehnten stetig zu. Dieses Phänomen ist auch Ausdruck der sich stabilisierenden Kranich- und Gänsepopulationen in Mittel- und Osteuropa. Im Herbst ziehen etwa 170.000 Kraniche entlang der westlichen Zugroute in Richtung Iberische Halbinsel zu ihren Winterquartieren. Auf dieser langen Reise finden sich ungefähr 130.000 Kraniche zu einer Zwischenrast in Deutschland ein, wobei das Rastgebiet bei Linum inzwischen zentrale Bedeutung zukommt. So hielten sich allein in diesem Raum im Herbst 2006 gleichzeitig bis zu ca. 80.000 Kraniche auf.
Darüber hinaus finden sich hier zeitweise mehr als 50.000 Gänse, tausende Enten und Limikolen, hunderte Höcker- und Singschwäne sowie ca. 30 Silberreiher ein. Das Obere Rhinluch bietet den Zugvögeln großräumig ungestörteRuhezonen mit Vorsammel-, Rast- und Schlafplätzen. Damit handelt es sich um eines der wichtigsten Gebiete Brandenburgs für den Schutz einiger Vogelarten und wurde folgerichtig im Jahr 2004 als Europäisches Vogelschutzgebiet (SPA Rhin-Havelluch, EU-Nr. DE 3242-421, HIELSCHER 2005) an die EU gemeldet. Entscheidend hierfür ist die relative Unzerschnittenheit des Gebietes mit nur wenigen, das Luch erschließenden Straßen bzw. Wirtschaftswegen. Schließlich beschränken der zentrale Rhinverlauf mit nur wenigen Brücken, die zahlreichen Entwässerungsgräben und die großen, mit Rindern beweideten Koppeln die touristische Nutzung auf die Randbereiche der Luchlandschaft. Ein weiterer für die Vogelrast entscheidender Aspekt ist das nahezu unbegrenzte Nahrungsangebot auf den umliegenden Ackerflächen, wobei vor allem die ausgedehnten Maisstoppelfelder aber auch Winter- und Frühjahrssaaten eine große Rolle spielen.
Die Zugvögel ziehen seit Anfang der 1990er Jahre eine wachsende Zahl naturinteressierter Besucher an. Hauptattraktion ist die herbstliche Kranichrast. Das Schauspiel der abendlich zu tausenden einfallenden Kraniche und Gänse verschafft Besuchern unvergessliche Eindrücke und bietet dem Naturschutz die Chance, eine breite Öffentlichkeit für die Verwirklichung von Visionen zu gewinnen.
Andererseits gehen mit den erheblichen Besucherzahlen auch Störungen einher, die - nicht zu Unrecht - in den Reihen der Naturschützer auf Kritik stoßen.
Weitere Anziehungspunkte, wie das Storchendorf Linum, mit bis zu 14 Weißstorch-Brutpaaren oder das Teichland Linum mit den Vorkommen weiterer seltener Tierarten sorgen auch im Frühjahr und Sommer für einen zunehmenden Besucherstrom.
Nachfolgend werden die wesentlichen Ansätze eines Managementkonzeptes vorgestellt, das sowohl das Verhalten der Zugvögel als auch der Besucher des Rastplatzes aufeinander abstimmen soll. Hierbei steht der Kranichzug aufgrund seiner gebietsspezifisch herausragenden Relevanz im Vordergrund, was nicht heißt, dass andere Arten im Rahmen dieser Überlegungen unberücksichtigt bleiben.

Linum im Panorama

Zur Vollbildansicht

Kranichrast

Einflussnahme auf das räumliche Verhalten rastender Kraniche

Ortswechsel eines Kranichs von einer Nahrungsfläche über den Vorsammelplatz zum Schlafplatz am 31.10.02

Management der Schlafplatz-Habitate
Nachfolgend wird vorrangig auf den im Rhin-Havelluch bedeutendsten und hinsichtlich des Konfliktpotenzials sensibelsten Rastplatz eingegangen. Wie bereits erläutert, sind die für den Kranichrastplatz entscheidenden Faktoren die Ruhe (keine Störungen) am Schlafplatz und ein ausreichendes Nahrungsangebot im Umfeld. Beides trifft für die Umgebung von Linum zu. So boten sich hier bereits vor etwa 100 Jahren in nicht mehr genutzten Torfstichen weite Flachwasserzonen an, die nach HESSE (1913) von gut 1.500 Kranichen als Schlafplatz genutzt wurden. Schon zu jener Zeit wechselten die Tiere tagsüber bevorzugt auf Nahrungsflächen in das landwirtschaftlich bereits erschlossene Havelländische Luch, das lediglich durch den Höhenzug des Ländchens Bellin vom Rhinluch getrennt ist. Ein typischer Ortswechsel eines Kranichs, von den Nahrungsflächen über den Vorsammelplatz hin zum Schlafplatz ist anhand von Telemetriedaten links dargestellt.

Überflutetes Grünland nördlich des Reglitzgrabens im Herbst 2002

Einhergehend mit der bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzenden und später erweiterten Umwandlung ehemaliger Torfstiche in Fischteiche (heute 220 ha) nutzten die Kraniche zunehmend das Teichgebiet Linum als Schlafplatz. Das herbstliche Ablassen der Teiche im Zuge der regulären Bewirtschaftung sorgte für mehr oder weniger große Flachwasserzonen, die die Tiere noch heute gerne aufsuchen. Seit 1994 wird auf Vertragsnaturschutz-Basis (finanziert durch das Land Brandenburg) im nördlichen, für Besucher nicht unmittelbar erreichbaren Teil des Teichgebietes das Wasserregime hinsichtlich seiner Schlafplatzeignung optimiert. Mit den seither zur Saison des herbstlichen Vogelzuges flach angestauten Teichen hat sich die Kapazität der Schlafplatz-Habitate des Gebietes wesentlich erhöht. Die in den Folgejahren einsetzende starke Zunahme der im Raum Linum rastenden Kraniche ist sicher auch eine Reaktion auf die sich verbessernden Eigenschaften des Rastplatzes. Im Herbst 2000 hielten sich bis zu 25.900 Kraniche im Teichgebiet auf. Die Störungsempfindlichkeit der in den Teichen zur Hauptsaison bereits dicht stehenden Kraniche und die einsetzende Auslastung der verfügbaren Flächen waren Anlass, das Angebot geeigneter Schlafplatz-Habitate zu erweitern. Im Rahmen der intensiven Bestrebungen, den Landschaftswasserhaushalt im Oberen Rhinluch zu verbessern (s. o.), erschien die Vernässung bzw. temporäre Flutung geeigneter Grünland-Flächen in Nachbarschaft des Teichgebietes sinnvoll. Wichtigste Anforderungen an diese Fläche waren: landschaftsmorphologische Senkenlage und somit die Durchführbarkeit der Bewässerung sowie die abgeschiedene Lage im Kerngebiet (geringes Störungspotenzial). Auf den in Frage kommenden Flächen konnte erfreulicherweise der hier agierende Landwirtschaftsbetrieb für das Vorhaben gewonnen werden. Seit 2001 werden nunmehr mit Hilfe des Vertragsnaturschutzes etwa 200 ha Grünland vom Herbst bis zum Frühsommer vernässt.

In einer Grünblänke rastende Kraniche

Schon kurzfristig zahlte sich diese Maßnahme aus. Fanden sich in den Vorjahren nach stärkeren Niederschlägen nur hin und wieder einzelne Trupps in temporären Blänken ein, so wurden die großflächig gefluteten Wiesen zur Hauptsaison von mehreren zehntausend Kranichen und darüber hinaus auch von Gänsen, Singschwänen und anderen Zugvögeln aufgesucht.

Verteilung der Kraniche in den Schlafplätzen vor und nach der Vernässung des Grünlands

Während beispielsweise in den Morgenstunden des 3.11.2000 etwa 12.000 Kraniche im Teichgebiet und nur 473 in einer kleineren Wiesenblänke gezählt wurden, hielten sich am Morgen des 20.10.2002 lediglich 900 Vögel im Teichgebiet und 11.620 in den überfluteten Wiesen auf (Zählungen nach Luftbildern). Nach nunmehr 6 Jahren Grünlandvernässung hat sich der neue Schlafplatz etabliert, so dass in der Regel 60 bis 90 % der rastenden Kraniche heute im Grünland nächtigen. Vorteilhaft hierbei sind: die größere Kapazität des Rastplatzes insgesamt, die Möglichkeit des Wechsels der Schlafplätze bei Störungen und schließlich die geringere Individuendichte auf der Fläche.

Kraniche auf einer Nahrungsfläche, die als Ablenkfütterung dient. Der angrenzende Wassergraben wird zur Wasseraufnahme genutzt.

Management auf Nahrungsflächen Die bedeutendsten Nahrungsflächen der Kraniche befinden sich auf den Äckern im nordöstlichen Havelländischen Luch und auf den Plateaus der umliegenden Grundmoränen. Vorzugsweise suchen die Kraniche ihre Nahrung auf Maisstoppelfeldern. Zum Ärgernis der Landwirte finden sich die Tiere insbesondere zum Ende der Zugsaison aber auch auf den Wintersaaten ein. Mit dem Ziel, die Schäden auf den Saaten zu verringern, wird vom Arbeitskreis Kranichmanagement Rhin-, Havelluch seit dem Herbst 2003 in Absprache mit den Landwirten eine Ablenkfütterung (Körnermais) betrieben. In den sensiblen Phasen des Aufgehens der Wintersaaten wird die kontinuierlich mit Mais versorgte Fläche von tausenden Kranichen aufgesucht. Gleichzeitig werden Kraniche und Gänse von den frisch eingedrillten Wintersaaten vertrieben. Diese Vorgehensweise hat sich inzwischen bewährt. Sie begrenzt nicht nur die Verluste auf Agrarflächen, sondern fördert zugleich den Dialog zwischen Landwirten und Naturschützern.

Vermeidbare Störungen des Rastgeschehens

Aktivitäten der Besucher
Besucher können die Durchzügler empfindlich stören, wenn sie den Vögeln - meist aus Unkenntnis - zu nahe kommen. Während Kraniche bei der Nahrungssuche beispielsweise einen fahrenden Pkw auf einer Straße bis zu einem Abstand von etwa 50 m tolerieren, reagieren sie bei der Annäherung zu Fuß und ohne Deckung meist schon bei 300 m mit ungestümer Flucht. Auch ein Anhalten von Kraftfahrzeugen oder gar das Aussteigen wird bereits auf größere Distanz (ca. 300 m) mit Flucht beantwortet. Regelrechte Panik können frei laufende Hunde auslösen. Empfindlich reagieren die Tiere auch auf das Blitzlicht eines Fotoapparates, was sich beispielsweise an Ausweichmanövern überfliegender Trupps an den Beobachtungskanzeln bemerkbar macht. Maßnahmen und Möglichkeiten zur Vermeidung Besucher-bedingter Störungen werden im Einzelnen unter "Infrastruktur für Besucher" erläutert.
Jagd
Noch bis in die jüngste Vergangenheit wurde die Rast der Zugvögel selbst im Bereich der Schlafplätze immer wieder durch jagdliche Aktivitäten gestört. Spätestens mit der Nachmeldung des SPA Rhin-Havelluch im Jahr 2004 ist die Wasservogeljagd an den Rastplätzen jedoch unzulässig. Zur Vermeidung von Störungen durch reguläre Jagd, z. B. auf Rehwild und Wildschwein, erfolgen inzwischen regelmäßige Abstimmungen zwischen Naturschützern und Jagdverantwortlichen. Die bevorstehende Ausweisung von Naturschutzgebieten auf Teilflächen des Rhin-Havelluchs wird die in den Rastgebieten schon jetzt gut funktionierende Jagdruhe zu Zeiten des Vogelzuges noch einmal legislativ untersetzen.
Ballonfahrten
Auch aus der Vogelperspektive sind die Rastplätze der Kraniche und Gänse eine Attraktion. Für touristisch orientierte Rundflug- und Ballonfahrt-Unternehmen ist der gezielte Anflug der Sammelplätze von Zugvögeln durchaus ein willkommener Höhepunkt im Programm. Insbesondere auf Heißluftballons in geringen Höhen, aber auch auf Kleinflugzeuge reagieren Kraniche und Gänse mit panischer Flucht. Derartige Störungen wirken sich vor allem im Bereich der Vorsammel- und Schlafplätze negativ aus. Nicht selten sind hier tausende Vögel betroffen, verlieren Energie und geben unter Umständen einen günstigen Rastplatz auf. Am 18.4.2002 fand in der Naturschutzstation Rhinluch (Landesumweltamt Brandenburg) ein Workshop zum Thema "Luftsport und Naturschutz" statt. Das Ergebnis war eine von den Interessenvertretern sowohl des Naturschutzes als auch der Ballon- und Luftfahrt getragene Erklärung. Inhaltlich wurde auf die allgemeine Berücksichtigung der Vogelschutzgebiete im Luftsport orientiert. Starts und Landungen sollten hier vermieden, Überflughöhen von mindestens 500 m für Ballons bzw. 600 m für andere Luftfahrzeuge eingehalten werden. Die Absprachen mündeten in ein entsprechendes Faltblatt des Deutschen Aero Clubs e.V. und in eine vom Landesumweltamt Brandenburg herausgegebenen Karte "Luftsport und Naturschutz in Brandenburg" (LUA 2002). Obwohl die Zahl der Störungen bereits spürbar abgenommen hat und regional Luftsport und Naturschutz gut kooperieren, kommt es immer wieder zu einzelnen Übertretungen, die in der Regel von auswärtigen Piloten zu verantworten sind. Nur eine klare gesetzliche Regelung kann diesen Konflikt weiter entschärfen.

Einflussnahme auf das Verhalten der Besucher

Wegesystem und Beobachtungspunkte für den Vogelzug. Die Kernzonen mit Schlaf- und Vorsammelflächen werden saisonal für den Besucherverkehr gesperrt.

Erste Maßnahmen der Besucherlenkung Die großen Vogelscharen auf den Feldern und vor allem das fantastische Naturschauspiel des abendlichen Kranicheinflugs locken zunehmend Touristen ins Gebiet. Die wenigen vorhandenen Beobachtungsmöglichkeiten - wie die drei Anfang der 1990er Jahre im Linumer Teichgebiet errichteten Beobachtungskanzeln - sind dem Besucheransturm in der Hauptsaison kaum gewachsen. Die von der Storchenschmiede Linum (NABU Berlin) organisierten Führungen sind zwar zu begrüßen, können jedoch nur einen begrenzten Beitrag zur Lenkung des Besucherstromes leisten. Deshalb wurden im Herbst 2003 die Gebiete mit den wichtigsten Schlaf- und Vorsammelplätzen als Kernzonen ausgewiesen und die Wege dorthin werden seither mit Zustimmung des Landrates (Ostprignitz-Ruppin) für die Öffentlichkeit saisonal gesperrt. Damit einhergehend, informiert der Arbeitskreis Kranichmanagement regelmäßig über die Medien und in einem Flyer über wichtige Verhaltensgrundsätze bei der Beobachtung von Zugvögeln. Mitarbeiter der ebenfalls in dieser Zeit gegründeten Landschaftswacht (s. u.), ehrenamtliche Mitstreiter vor allem des Landschaftsfördervereins Oberes Rhinluchs kontrollieren die wichtigsten Wegesperren und informieren zugleich die Besucher. Für eigene Unternehmungen stehen den Besuchern die drei Aussichtskanzeln im Teichgebiet Linum und mehrere, zum Teil betreute Beobachtungspunkte an den Nahrungsflächen und Einflugkorridoren zur Verfügung.

Rundwege und Beobachtungspunkte für die Kranichrast

Infrastruktur für Naturbeobachter Mit Hilfe einer ausgewogenen Infrastruktur zur Beobachtung der Zug- oder auch Brutvögel ließen sich die meisten bis heute von Besuchern ausgehenden Störungen vermeiden. Nachfolgend werden verschiedene, im Arbeitskreis Kranichmanagement entwickelte Ideen einer Erweiterung der vorhandenen Infrastruktur vorgestellt. Zentraler Ausgangspunkt für ornithologisch orientierte Exkursionen ist Linum. Darüber hinaus haben Linumhorst, Kuhhorst, Kremmen, Hertefeld und einige weitere kleine Gemeinden eine gewisse Bedeutung. Gegenwärtig nutzen die Besucher der Luchlandschaft meist das Auto oder Fahrrad und beobachten die Nahrung-suchenden oder rastenden Vögel überwiegend vom Straßenrand aus. Des Weiteren werden gerne die Parkplätze der Ortschaften genutzt, um den Pkw abzustellen und das Umfeld per pedes zu erkunden. Häufig werden hierbei auch Wirtschaftswege auf den Agrarflächen genutzt. Besonders hohe Besucherzahlen weisen die Ortschaft Linum und das benachbarte Teichgebiet mit den drei Beobachtungskanzeln, die auf dem zentralen Hauptweg, dem "Schwarzen Damm" gut zu erreichen sind auf. Für ein auszuschilderndes Wegesystem eignet sich insbesondere der Schwarze Damm und ein Rundweg um die Angelteiche. Einige Wege oder Beobachtungspunkte im Teichgebiet und Agrarland (s. u.) liegen deckungsfrei in offener Landschaft. Von ihnen gehen häufiger Störungen aus. In Richtung etablierter Rastflächen sollten diese Bereiche daher mit Hecken bepflanzt werden. Das Ziel, den Besucherverkehr auf bestimmte Wege zu konzentrieren, ist nur mit Hilfe von Hinweisschildern, Wegemarkierungen bzw. -sperrungen zu erreichen. An zentralen Punkten werden daher Informationstafeln mit einem Überblick zum Wegesystem installiert. An geeigneten Stellen, eingebunden in das Wege- und Straßennetz, sollten weitere Kanzeln und Unterstände errichtet werden, um die Beobachtung aus gedeckter Position zu ermöglichen. So sind beispielsweise mehrere Beobachtungsplattformen und eine weitere -kanzel entlang des Rundweges im Teichgebiet geplant. Letztere würde erstmals eine unbedenkliche Einsicht auf den größten und ornithologisch außerordentlich interessanten "36'er" Teich am Ostrand des Linumer Teichgebietes ermöglichen. Die für den zentralen Teil des Teichgebietes vorgesehen Maßnahmen sowie darüber hinaus die Anlage eines Rastplatzes für Wasserwanderer am Amtmannkanal sind bereits Bestandteil eines bewilligten Förderprojektes der Gemeinde Fehrbellin (BRÜGGEMANN 2005). Weiterhin sind eine erhebliche Vergrößerung der nördlichen Kanzel am Schwarzen Damm und der Neubau einer größeren Kanzel nordöstlich der Ortschaft Linum vorgesehen. Die bestehenden Kanzeln im Teichgebiet sind zu rekonstruieren. Damit soll einer größeren Besucherzahl die Beobachtung des abendlichen Kranicheinflugs zur Hauptzugzeit aus der Deckung heraus ermöglicht werden. In Zusammenarbeit mit Landwirten wird angestrebt, in der Nähe der Ortschaft Linum 1 bis 2 Beobachtungs-Unterstände inklusive Parkplatz in Kombination mit Lock- bzw. Ablenkfütterungen für die Kraniche zu errichten. Selbst größere Besuchergruppen könnten auf diese Weise die Nahrungssuche der Kraniche in relativ geringer Entfernung und ohne zu stören verfolgen. In dem bekannten Kranichrastgebiet an der Ostsee nordwestlich von Stralsund hat sich ein derartiger Beobachtungsstand seit Jahren bewährt. Auch an die passionierten Tierfotografen sollte gedacht werden. An geeigneten Standorten könnten speziell auf die Fotografie von Kranichen und Gänsen ausgerichtete Versteckhütten unterhalten werden. Selbstverständlich wäre hierbei eine individuelle und auch kostenpflichtige Betreuung durch geschultes Personal erforderlich.

Karte der Besucherlenkung

Karte für die Kranichbeobachtung

Landschaftswacht Kranichtour

Für die vielfältige Arbeit im Gelände, angefangen von der Landschaftspflege bis hin zur Besucherlenkung wurde das ABM-Projekt „Kranichtour“ in Zusammenarbeit mit der NOVAreg (Projektträgergesellschaft für neue Arbeit regional – mbH) initiiert. Auf dieser Basis werden in der Region seit 2003 ca. 10 Mitarbeiter für die spezifischen Aufgaben einer Landschaftswacht im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme unter fachlicher Anleitung der Naturschutzstation Rhinluch beschäftigt. Angestrebt wird eine dauerhafte Landschaftswacht mit mindestens zwei festen Mitarbeitern, denen zukünftig auch die Anleitung weiterer saisonaler Arbeitskräfte obliegt.

Live-Camera am Kranichrastplatz Linum

Kranich8092

Das Linumer Teichgebiet gilt unter Natur- und Arteninteressierten als Amphibienoase. Im Frühjahr sind die Rotbauchunken zu hören und in jedem Gartenteich der Gemeinde tauchen früher oder später Ringelnattern und/oder Frösche auf. Dank engagierter Landschaftspflegeeinsätze – oft in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsförderverein Oberes Rhinluch oder der Karsten Nendel Naturschutzstiftung  – und Wassermanagement werden einige Teiche gezielt so gestaltet, dass sie den Habitatansprüchen bestimmter Arten gerecht werden.

Um einen Einblick in die Bandbreite und Gewichtung der Herpetenarten im Teichgebiet zu gewinnen, ist in den vergangenen Jahren mehrfach am sogenannten Unkenteich ein Amphibienzaun aufgestellt worden. Von Anfang März bis Anfang Mai – abhängig von der Witterung – hat der Zaun an der Süd- und an der Ostkante des Teiches gestanden, um die Amphibien bei ihrer Wanderung aus den Winterquartieren ins Laichgewässer abzufangen. Bei der Erstuntersuchung im Jahr 2001 sind in dieser Zeitspanne sensationelle Zahlen zustande gekommen: Über 1.000 Knoblauchkröten, 380 Rotbauchunken, fast 500 Moorfrösche…


slide 1
Erster Spatenstich
Bei den ersten Spatenstichen war es vor allem eine Herausforderung, eine möglichst gerade Rille für die Folie zu schaffen. Im Hintergrund ist der Unkenteich zu sehen.
Pfosten
90 Pfosten mussten ins Erdreich getrieben werden, um die Bodenunebenheiten auszugleichen.
Ostkante
Die Ostkante des Zaunes. Die Rille ist hier beinahe sofort mit Wasser vollgelaufen.
Straffung
Zur Straffung waren immer zwei Paar Hände nötig.
Fertig
Der fertige Zaun. Die Beschriftung bittet Vorbeikommende darum, die Tiere in den Eimern zu belassen, damit die Ergebnisse nicht verfälscht werden.
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Erster Spatenstich
Pfosten
Ostkante
Straffung
Fertig
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Nach weiteren Untersuchungen in den Jahren 2003 und 2010 wurde nun am 2. und 3. März 2022 wieder ein Zaun aufgebaut. In Zeiten von massivem Amphibiensterben ist es Ziel, einen Entwicklungstrend bei den Amphibien konkret für das Teichgebiet Linum heraus zu kristallisieren, um den Maßnahmenerfolg der letzten Jahre zu kontrollieren.

Für fast 150m Zaun brauchten die jungen Leute des Bundesfreiwilligendienstes und des Freiwilligen Ökologischen Jahres sowohl körperlich als auch geistig viel Ausdauer. Die Bodenbedingungen waren entweder zu fest oder zu nass, was einiges an Erfindungsreichtum und Kraft abverlangt hat. Tatkräftige Unterstützung gab es glücklicherweise durch die Freiwilligendienstleistenden der ebenfalls in Linum ansässigen Storchenschmiede gGmbH.

Die insgesamt 16 Eimer werden nun – sofern äußere Umstände keinen vorzeitigen Abbau erzwingen – bis Anfang Mai 2022 täglich mindestens einmal kontrolliert. Die Zahlen der Reptilien, Amphibien und Kleinsäuger werden dokumentiert und im Mai mit hoffentlich erfreulichen Ergebnissen ausgewertet.

Die ca. 15.000 ha Oberes Rhinluch sind gegenwärtig nahezu flächendeckend entwässert. Nach aktuellen Untersuchungen (KRETSCHMER 2000) sind maximal 30 % des Niedermoorgebietes mit der derzeitig verfügbaren Wassermenge langfristig zu regenerieren. Bis heute werden diese Möglichkeiten jedoch lediglich auf etwa 750 ha ausgeschöpft. Genau in diesen Flächen befinden sich die gegenwärtig bedeutendsten Rast- und Brutplätze der Kraniche, Gänse und einiger weiterer interessanter Vogelarten. Vor dem Hintergrund anhaltender klimatischer Veränderungen gewinnt die Wiedervernässung von Niederungsgebieten immer mehr an Brisanz. Wissenschaftliche (KRETSCHMER 2000) als auch planerische Studien (HASCH et al. 2005) zeigen entsprechende Wege auch für das Obere Rhinluch auf. Somit ist die Hoffnung berechtigt, dass die Bedeutung des Gebietes für den Vogelzug weiterhin zunehmen wird. Das Naturschauspiel des Vogelzugs im Oberen Rhinluch möglichst vielen Menschen zu erschließen, ohne einen negativen Effekt auf das Zuggeschehen auszuüben, ist eine Herausforderung für den Naturschutz. Das vorangehend dargestellte Management und die Ideen zum Ausbau der bestehenden Infrastruktur für Vogelbeobachter sind als eine erste Arbeitsskizze zu betrachten. Die kommenden Jahre werden zeigen, welche der Ansätze funktionieren und welche weiterentwickelt bzw. durch neue Strategien ersetzt werden müssen.