Das Schutzprojekt für die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis)
Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) ist in Deutschland vom Aussterben bedroht (Rote Liste Kriechtiere Deutschlands, KÜHNEL et al. 2009). Für die Erhaltung der arealgeografisch hochgradig isolierten Vorposten ist Deutschland im besonderen Maße verantwortlich (KÜHNEL et al. 2009). Nach Untersuchungen der letzten zwei Jahrzehnte beschränken sich die bundesweit letzten natürlichen Vorkommen der Europäischen Sumpfschildkröte auf das östliche norddeutsche Tiefland. Unzählige Gewässer und Moore, steinige Moränenfelder im Wechsel mit nährstoffarmen Hügelkuppen und Hanglagen setzten einer intensiven Bodenbearbeitung in der offenen Landschaft bis in die Gegenwart Grenzen. Darüber hinaus sind die für Deutschland geringste Bevölkerungsdichte und zugleich größte Maschenweite des Straßennetzes kennzeichnend für diese Region. Naturnähe, Gewässerreichtum und großflächig unzerschnittene Landschaft waren und sind wesentliche Voraussetzungen für einen außerordentlichen Reichtum an Amphibien und Reptilien und für das Überleben der Reliktpopulationen der Europäischen Sumpfschildkröte. Das Zusammenspiel stark gegliederter aquatischer Lebensräume mit trockenen Hügelkuppen und südexponierten Hanglagen schafft hier die Voraussetzungen für die Existenz von Sumpfschildkrötenpopulationen. Sumpfschildkröten nutzen offene vegetationsreiche Kleingewässer als Sommerlebensraum und überflutete Erlenbrüche als Winterquartier. Auf sonnenexponierten Trockenrasen legen sie ihre Eier.
Agena e. V. engagiert sich in Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen (Naturschutzstation Rhinluch des Brandenburger Landesumweltamtes, Humboldt-Universität Berlin, Stiftungen, Berliner Naturkundemuseum, Tierkundemuseum Dresden u. a.) und den zuständigen Naturschutzbehörden seit Ende der 1990er Jahre im Rahmen verschiedener Förderprojekte für den langfristigen Erhalt der letzten einheimischen Vorkommen der Europäischen Sumpfschildkröte in Deutschland. Hauptförderer dieser Vorhaben sind v. a. die Klara Samariter Stiftung, die Heinz Sielmann Stiftung, und die HIT Umwelt- und Naturschutzstiftung.
Inhaltlich geht es bei den Schutzprojekten um:
- Sicherung, Revitalisierung und Vernetzung vorhandener Lebensräume sowie Schaffung neuer Lebensräume
- Sicherung von Lebensräumen durch Ankauf von Flächen in den Vorkommensgebieten
- Begleitende Grundlagenuntersuchungen und Naturschutzforschung
- Bestandsstützung und Wiederansiedlung
- Monitoring
- Erstellung von Handlungs und Managementkonzepten
Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) – Reptil des Jahres 2015
Artikel von Norbert Schneeweiß aus dem Naturmagazin 03/2015
Von der Iberischen Halbinsel bis zum Aralsee und im Süden bis Nordafrika besiedelt die Europäische Sumpfschildkröte mit derzeit 6 anerkannten Unterarten ein riesiges Verbreitungsgebiet. In Deutschland ist sie vom Aussterben bedroht und erreicht hier mit einigen Vorkommen westlich der Oder ihre nordwestliche Arealgrenze. Aufgrund der hochgradigen Gefährdung der letzten einheimischen Populationen aber auch zur Unterstützung der vielfältigen Initiativen zum Schutz und zur Wiederansiedlung der Art rückten die DGHT und mehrere Partnerorganisationen (ÖGH, Karch, NABU und BUND) die Europäische Sumpfschildkröte als „Reptil des Jahres 2015“ in den Fokus ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Aktuelle Gefährdungsfaktoren sind vor allem der Straßenverkehr, industrielle Land- und Forstwirtschaft aber auch neue Fressfeinde wie Waschbär und Marderhund. Die Bemühungen der Naturschutzstation Rhinluch und der AG Natur- und Artenschutz e.V. (AGENA) richten sich auf den Schutz der letzten einheimischen Populationen und hierbei vor allem auf die langfristige Sicherung und Vernetzung der Lebensräume sowie auf Maßnahmen zum Schutz vor Fressfeinden. Darüber hinaus widmen sich derzeit verschiedene Vorhaben der Wiederansiedlung der Art in Gebieten historischer Vorkommen z. B. in Mecklenburg-Vorpommern, in Hessen, Rheinland-Pfalz und in Niedersachsen. N. Schneeweiß
Unterschiede zwischen der einheimischen Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis orbicularis) und anderen Wasserschildkröten
Die einheimische Unterart – Emys orbicularis orbicularis.
Ausgewachsene Tiere erreichen bis zu 20 cm Panzerlänge. Rückenpanzer, Kopf und Gliedmaßen sind auf dunklem Grund gelb gesprenkelt. Der ebenfalls gelblich gemusterte Bauchpanzer verfärbt sich im Alter dunkelbraun bis schwarz. Finger und Zehen besitzen Schwimmhäute und Krallen. Die Populationen im Nordosten Deutschlands lassen sich genetisch von anderen Populationen der selben Unterart unterscheiden. Morphologisch ist das nicht möglich.Emys orbicularis.
Eine große Gefahr birgt das illegale Aussetzen nichtheimischer Unterarten der Europäischen Sumpfschildkröten. Diese Tiere stammen meist aus dem Mittelmeerraum. Obwohl sie einer anderen Unterart angehören, könnten sie sich uneingeschränkt mit den Einheimischen vermehren. Die Konsequenz für die individuenarmen, einheimischen Populationen: Über kurz oder lang ein Verlust der für die nördliche Verbreitungsgrenze überlebenswichtigen Anpassungen, wie z.B. die jahreszeitlich frühen Eiablagetermine, große Eizahlen pro Gelege und das hohe Lebensalter.Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) im SEA LIFE Berlin
Von der Iberischen Halbinsel bis zum Aralsee und im Süden bis Nordafrika besiedelt die E uropäische Sumpfschildkröte mit derzeit 6 anerkannten Unterarten ein riesiges Verbreitungsgebiet. In Deutschland ist sie vom Aussterben bedroht und erreicht hier mit einigen Vorkommen westlich der Oder ihre nordwestliche Arealgrenze.
Die letzten Ihrer Art
Es handelt sich bei den Brandenburger Vorkommen um die letzten einheimischen Schildkrötenpopulationen in Deutschland und zugleich um letzte Reliktvorkommen am nordwestlichen Rand des Verbreitungsgebietes.
Aktuelle Gefährdungsfaktoren
Zu den größten Gefahren zählen vor allem der Straßenverkehr, industrielle Land- und Forstwirtschaft aber auch neue Fressfeinde wie Waschbär und Marderhund. Aber auch die illegalen Naturentnahmen und das Aussetzen nicht heimischer Sumpfschildkröten stellen ein großes Risiko dar.
Das SEA LIFE Berlin hat sich dazu entschieden seinen lokalen Fokus noch auszubauen und mit der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Artenschutz zusammen ein Zuhause für die Sumpfschildkröte zu schaffen. „Die Menschen schützen nur was sie kennen, daher ist es wichtig dieser in Deutschland vom Aussterben bedrohten Art ein Gesicht zu geben und sie unseren Besuchern zu präsentieren“, erklärt Martin Hansel, Aquariumsleiter SEA LIFE Berlin. Auch die Heinz Sielmann Stiftung, die Klara-Samariter-Stiftung und die Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg unterstützen das Projekt.
Das eigens geschaffene Aquarium zeigt 7 Europäische Schildkröten, die in der Naturschutzsation Rhinluch (Landesamt für Umwelt Brandenburg) vor 24 Monaten geboren wurden. „Wir freuen uns sehr mit dem SEA LIFE zusammen einen Partner gefunden zu haben der uns unterstützt das Aussterben zu thematisieren und zu verhindern.“ berichtet Dr. Norbert Schneeweiß, Leiter der Naturschutzstation Rhinluch.
Information zum Diebstahl von 3 Europäischen Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) der Naturschutzstation Rhinluch im Oktober 2011
(Pressemitteilung vom 12. Oktober 2011)
Mit Freude und Erleichterung können wir mitteilen, dass zwei der gestohlenen Europäischen Sumpfschildkröten am letzten Wochenende wieder aufgetaucht sind.
Dilettantisch in einer Tragetasche verpackt fanden Mitarbeiter des Tierheims Berlin-Falkenberg die Schildkröten Sonnabend früh vor ihrer Haustür. In der Tasche befand sich ein Zettel mit dem Hinweis, dass es sich um die entwendeten Tiere aus Linum handele…so war es dann auch.
Nun fehlt zwar immer noch ein Tier (möglicherweise hat es die Prozedur nicht überstanden) und wir wissen nicht, wie die zwei entwendeten Schildkröten die Odyssee insgesamt verkraftet haben, aber wir sind erstmal sehr froh, dass die Zuchtgruppe nunmehr wieder nahezu vollständig ist. Selbstverständlich bemühen wir uns weiterhin, vielleicht auch das dritte wieder zurückzubekommen. Auf jeden Fall fühlen wir uns mit der Rückgabe der Tiere in unserer Strategie, den Vorgang an die Öffentlichkeit zu bringen, bestätigt.
An dieser Stelle möchten wir es nicht versäumen, noch einmal all denjenigen zu danken, die uns direkt oder indirekt in der vorliegenden Angelegenheit unterstützt haben!
Steckbrief der gestohlenen Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) der Naturschutzstation Rhinluch
Steckbrief Emys orbicularis – Europäische Sumpfschildkröte – Weibchen „1+2/2“
adult, Körpermasse 628 g, Carapaxlänge 151,5 mm, Carapaxbreite 123 mm (02.05.2011)
Hier kann für eine Temperaturreihe die Wärmesumme (nach SCHNEEWEISS, N. – (2002): Demographie und ökologische Situation der Arealrand-Population der Europäischen Sumpfschildkröte in Brandenburg.- Studien Tagungsber. Landesumweltamt Brandenburg 46: 1-104) berechnet werden.